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Maiz Taqueria, Würzburg

15. Januar 2019 Nahaufnahme - Interview mit Jonah Ramos über Beweggründe eine authentisch-mexikanisches Taqueria zu betreiben und damit verbundene Herausforderungen

Maiz Taqueria, Würzburg

„In Deutschland ist es sehr viel, für einen Taco sechs oder sieben Euro zu zahlen“

 

Restaurants, in denen authentisch-mexikanisches Street-Food fernab von Dosenmais und/oder -bohnen auf der Speisekarte steht, findet man in Deutschland nicht an jeder Ecke. Noch seltener sind Konzepte, in denen die Tortillas frisch aus Maismehl hergestellt werden. Zu ihnen gehört die Taqueria Maiz im fränkischen Würzburg. Seit fast fünf Jahren ist das nur 60 m² große Einraumkonzept (inkl. Küche) des gebürtigen US-Amerikaners, Jonah Ramos, Anlaufpunkt für Afficionados der mexikanischen Küche. Warum das Maiz die Würzburger so begeistert, das wollte Ubena herausfinden und hat sich mit Maiz-Gründer, -Besitzer und -Küchenchef, Jonah Ramos in der kleinen Taqueria zum Interview getroffen.

Bild: Der Süßkartoffel-Taco ist einer von fünf Tacos auf der Speisekarte des Maiz. Bevor die Süßkartoffeln auf dem Taco landen, werden sie mit Sriracha-Sauce und Kakao mariniert und anschließend gedämpft

Nach mehreren Stationen in der gehobenen deutschen Gastronomie wie dem Schwarz in Heidelberg, wo er mit Robert Rädel und Tristan Brandt zusammenarbeiten konnte, hat Ramos auch in den USA seine Erfahrungen sammeln können. Die Motivation, sich auf das Terrain einer Taqueria zu begeben, entstammt für ihn dem Wunsch, diese Küche für alle erlebbar zu machen:

Ich komme gebürtig aus den USA, meine Vorfahren sind mexikanischer Herkunft und mit mexikanischem Essen bin ich aufgewachsen. Die Kultur, aus der ich komme, ist mexikanisch. Und weil ich schon immer den Traum hatte, mich als Koch irgendwann selbstständig zu machen, war für mich klar, dass ich mich nur in einer authentisch-mexikanischen Taqueria, die für alle Leute zugänglich ist, in der es diese Preishürde nicht gibt, voll verwirklichen kann. Ich habe jahrelang in der Sternegastronomie gearbeitet, in der für mich der Bezug zu den Menschen einfach nicht da war. Heute erfüllt mich, dass sich hier im Maiz Schüler und Bankleute treffen und Tacos mit ihren Händen essen.

Bild: Das Angus Rind für den Beef-Taco wird vor dem Schmoren mit einer dunklen Marinade aus verschiedenen Chilis übergossen

Das Konzept des Maiz legt nahe, dass es die Mischung aus stimmigen Details und einer gewissen Zugänglichkeit ist, die für die Akzeptanz in unterschiedlichsten Personengruppen sorgt:

Hinsichtlich der Gewürze ist sicherlich besonders, dass wir für unsere Salsas und Fleisch-Marinaden ausschließlich getrocknete Chilis verwenden, die aus Mexiko kommen. Insgesamt haben wir sechs oder sieben verschiedene Chilis – Arbol, Mochita, Mulato, Pasilla, Guajillo, Ancho – und jede hat ihren eigenen, ganz speziellen Geschmack. Viele Deutsche lernen diese Geschmacksunterschiede erst hier kennen, und die Mexikaner schätzen die Vielfalt und die Authentizität, auch, wenn wir nie zu 100 Prozent deckungsgleich mit einer mexikanischen Taqueria sein werden können. Dies ist in Deutschland nicht möglich, jedenfalls nicht in unserem Preissegment. Alle Zutaten aus Mexiko zu beziehen würde einen enormen, auch finanziellen Aufwand bedeuten und wir könnten unsere Küche nicht mehr allen zugänglich machen. Ich möchte daher gar nicht exklusiv sein. Ich möchte eine Speisekarte, die zugänglich für die breite Masse ist. In Metropolen wie Mexico City oder New York existiert in den Köpfen der Menschen mittlerweile dieser Zusammenhang zwischen mexikanischem Essen und High-End-Food. Da hat sich in den letzten Jahren sehr viel getan. In Deutschland ist es sehr viel, für einen Taco sechs oder sieben Euro zu zahlen. Daran muss sich unsere Speisekarte messen lassen, die wir übrigens vom Aufbau her nie verändern mussten: Wir haben fünf verschiedene Tacos und ein paar Burritos. Das einzige, was wir über die Jahre geändert haben, sind bestimmte Rezepturen, aber nur dann, wenn wir herausgefunden haben, wie wir sie besser machen können.

Bild: Mit der „Tortilla-Maschine“ plättet Ramos den Maisteig und stanzt die Rohlinge aus. Die Tortilla-Rohlinge lassen sich nur für ca. sechs Stunden frisch halten, weshalb täglich zwei Chargen – eine am Morgen, eine am Nachmittag – produziert werden.

Warum eine Speisekarte über Jahre funktionieren kann sieht Ramos begründet im urmenschlichen Bedarf nach Beständigkeit:

Wir sind uns treu geblieben und ich denke, das ist ein wichtiger Grund, warum es uns noch gibt. Die Leute wissen einfach, was sie bei uns bekommen. Sie wollen nicht, dass sich ihr Fisch-, Beef- oder Süßkartoffel-Taco verändert. Sie wollen ihn genau so. Sie schätzen die Qualität und ihre Erwartungen werden erfüllt. Ich persönlich bin der Überzeugung, je länger man bei einer Sache bleibt, desto besser wird man darin. Diese Tiefe, zu der wir vordringen möchten, könnten wir niemals erreichen, wenn wir kreativ variieren würden. Das Feedback unserer Gäste bestärkt uns auch darin, so weiter zu machen. Wir haben z.B. Stammgäste aus Stuttgart, eine mexikanische Familie, die zweimal im Monat nach Würzburg kommt, um in der Stadt zu bummeln, aber auch um bei uns zu essen. Da ist ganz viel Emotion dabei.

Um sich bei aller Beständigkeit vom Markt zu unterscheiden setzt Ramos auf die gewissenhafte und kompromisslose Herstellung seiner Produkte in Manufaktur:

Ich habe natürlich sehr viel recherchiert, bevor wir aufgemacht haben, recherchiere auch jetzt noch sehr viel, bin ständig unterwegs in Europa und schaue mir die Taquerien an, die aufmachen, die sich halbwegs gut anhören und probiere sie aus. Es ist schwierig Gutes zu finden. In erster Linie ist ein Alleinstellungsmerkmal, dass wir unsere Tortillas selber machen. Wir rollen die Rohlinge aus und legen sie auf den Grill erst, wenn die Bestellung reinkommt. Die Tortilla ist sehr wichtig, denn sie ist die Grundzutat für jeden Taco. Für die Tacos nehmen wir ausschließlich Tortillas aus 100 Prozent nixtamalisiertem Mais; für die Burritos bieten wir auch Weizentortillas an. Wir haben einen Lieferanten in Mexiko gefunden, der Maismehl aus nicht-genmanipuliertem Mais anbietet. Das Angebot der zwei bis drei großen Player auf dem mexikanischen Markt, die man vielleicht kennt, wird aus genmanipuliertem Mais aus Monokulturen produziert.

Unser Maismehl ist in Mexiko bio-zertifiziert, wobei man dazu sagen muss, dass die Bio-Zertifizierung für Europa fehlt. Unser Ziel ist es, die Nixtamalisation irgendwann selbst durchzuführen, auch weil sich beim Kunden immer mehr Leidenschaft, nicht nur für das Essen, sondern auch für die Herstellung und die Herkunft der Zutaten entwickelt. Regionalität ist mittlerweile unglaublich wichtig. Das Geniale an einer Tortilla? Sie ist wie eine weiße Leinwand, du kannst damit alles machen, sie ist zeitlos seit 5.000 Jahren und ganz einfach zu essen. Auch die Salsas oder die Guacamole sind sehr wichtig. Unsere kannst du nicht kaufen, die machen wir selbst, alles frisch. Wir haben nur zwei Rezepturen für Salsas, die schmecken saisonal etwas anders, aber ich finde, das ist gut so, denn ein Lebensmittel lebt und schmeckt von Jahreszeit zu Jahreszeit immer unterschiedlich. Die Chilis werden bei uns eingeweicht, dann wird daraus eine Paste gemacht. Wir nehmen keine Abkürzungen und haben unsere eigene Handschrift, mit der wir uns identifizieren und das spürt der Kunde auch. Generell nehmen wir keine Abkürzungen. Wir gehen nicht her und sagen: „Das läuft, wir können jetzt dieses und jenes zukaufen, weil es das einfacher für uns macht.“ Wir haben eine klare Vorstellung von unserem Endprodukt und passen unsere Arbeitsschritte dementsprechend an. Abkürzungen vertragen sich mit unseren Zielvorstellungen einfach nicht.

Bild: Hier bereitet der Chef Pico de Gallo zu, eine grobe Salsa aus gehackten Tomaten, Paprika und Zwiebeln sowie Limettensaft, Koriander und Pfeffer

Ramos‘ Leidenschaft für die authentische mexikanische Küche gilt neben der Tortilla auch den Salsas:

Wir haben immer eine ganz scharfe, selbstgemachte Salsa. Aber unser Zugpferd ist eine Salsa roja, die benutzen wir sehr häufig. Der würde ich auf einer Skala von null bis zehn, wenn die Zehn ganz scharf ist, eine Sechs geben. Kinder, die an ein bisschen Schärfe gewöhnt sind, können diese Salsa auch essen. Ein Vorurteil ist natürlich, dass in Mexiko alles so scharf ist. Ich finde, wenn ich an die indische, die vietnamesische Küche oder die Thai-Küche denke, dann spielen diese Küchen, was die Schärfe betrifft, in einer ganz anderen, noch höheren Liga. Es gibt Salsas, die werden überall in Mexiko gegessen, wie Salsa verde und Salsa roja. Dann gibt es aber auch je nach Region ganz verschiedene Salsas: Die Salsas aus dem Süden Mexikos sind ganz anders, als die im Norden. Im Süden gibt es den Dschungel, hier wachsen ganz andere Zutaten; die Salsas dort sind sehr frisch, sind oft mit Habanero.

An der Küste, wo sehr viel Fisch gegessen wird, gibt es viele rohe Salsas, die im Molcajete zubereitet werden. Einen Molcajete, ein Mörser aus Lavastein, haben dort sehr viele im Haushalt stehen. Für Mexiko auch noch sehr wichtig ist das Element Feuer, also Zutaten über Feuer zu rösten und das gibt dann eben den besonderen Geschmack. Die Zwiebeln, die Tomaten werden in Mexiko wirklich verkohlt, so stark, dass man hier in unseren Breitengraden sagen würde: „Das geht gar nicht!“ Aber das gibt genau den Geschmack, der es wirklich ausmacht. Und jetzt sind wir wieder beim Taco. Der muss wie ein Schlag ins Gesicht sein! Der ist klein, aber es muss Säure, Hitze, Frische, es muss alles in einem Biss sein. Man kann einen Taco nicht mit einem gewöhnlichen Tellergericht von 350 Gramm vergleichen. Von dem sollst du in erster Linie satt werden. Würden diese 350 Gramm so intensiv wie ein Taco schmecken, wäre das die reinste Reizüberflutung.