Kategorien:

Native, London

1. März 2018

Native, London

Außergewöhnliche Locations, ungewöhnliche Speisen und spannende Ideen – jeden Monat präsentieren wir Ihnen ein innovatives Gastro-Konzept, entdeckt von Food Scouts aus aller Welt …

Native ist mein neues Lieblingsrestaurant und es ist nur einen Katzensprung von meinem neuen Büro entfernt. Diesen absoluten Geheimtipp behalte ich übrigens normalerweise für mich.

Ich besuchte das Native mit meiner Freundin Hannah, der besten Person um das geniale Konzept wertzuschätzen. Denn bei Native dreht sich alles um „wilde“ Nahrungsmittel, was im Werbejargon nichts anderes heißt, als saisonale Produkte aus der Region zu verwenden. Von der Nase bis zum Schwanz oder vom Feld in den Mund quasi.

Der beste Platz im Restaurant ist am so genannten chef’s table, einer kleinen Theke, die am Ende des winzigen Areals für die Küchen-Angestellten ist. Nicht empfehlenswert für Gruppen bestehend aus mehr als zwei Personen, erste Dates oder jeden, der Staatsgeheimnisse weitertratschen möchte, aber es ist der beste Platz, um den Köchen bei ihrem emsigen Treiben zuzusehen und natürlich um das Abendessen anderer Gäste zu beäugen, bevor man seine eigene Bestellung aufgibt.

Leichter gesagt als getan. Obwohl die Karte nur etwa eine Handvoll Gerichte beinhaltet, fällt die Auswahl extrem schwer. Wir wogen sorgfältig unsere Optionen ab – so lange, dass dabei die großzügige, kostenfreie Portion ofenwarmer Knoblauch-Rosmarin Focaccia kalt wurde. Der einzige Nachteil des chef’s table.

Es gibt nur eine limitierte Auswahl an Vorspeisen und Hauptgerichten, die alle nicht zum Teilen gedacht sind. Definitiv eine Speisekarte für entscheidungsfreudige Menschen und nicht für Personen, die auf Tapas stehen und

die irrationale Angst haben, etwas zu verpassen, wenn sie nicht alles probieren. Also für genauso Menschen wie Hannah und mich. Deswegen beschlossen wir trotzdem, uns alles zu teilen.

Als erstes gab es Kaninchenknödel mit Dashi aus geräuchertem Speck und eingelegten Walnüssen. Eine kleine, majestätische Pyramide bestehend aus Fleischbällchen, gehäuft wie Ferrero Rocher Pralinen, und übergossen mit einer warmen, fleischigen Brühe.

Die geschmorten Karotten mit Pangratatto und Hayonnaise, Mayonnaise aus Heu, wurden ihrem vielversprechenden Namen nicht gerecht, obwohl das Gericht wie ein Modellwald im Schaukasten aussieht und mit essbaren Blüten verziert ist. Pangratatto ist nebenbei kein exquisites, getrocknetes Filet, sondern ein hochgestochenes Wort für Semmelbrösel. Nur zur Info.

Die Karotten wären eine herrliche Beilage, keine Vorspeise, genau wie sein optisch weniger

ansprechender, aber fröhlicherer Cousin: geröstete Pastinake mit Lincolnshire Poacher, einem Käse aus der gleichnamigen englischen Grafschaft. Ein großer Teller mit robusten Pastinakenstücken, angemacht mit Honig und großzügig bestreut mit gutem Käse, als hätte der Koch seine schönen Erinnerungen an den Käse-Pommes-Wagen seiner Jugend wieder aufleben lassen wollen.

Der gebratene Seehecht wurde von uns wegen seiner göttlichen Beilagen, nämlich Schälerbsendhal und Pakoras aus Blumenkohlblättern, ausgesucht. Letzteres ist definitiv der Star des Gerichts. Es könnte zweifellos eine alleinige Beilage sein oder, ach was rede ich, das einzige Gericht eines ihm gewidmeten Street-Food-Trucks sein. Ich sehe ihn schon fröhlich durch London tuckern, entzückte Foodies mit fettigen Fingern hinterlassend. Hipster könnten den Truck mieten, um mit den Pakoras den perfekten Snack für ihre betrunkenen Hochzeitsgäste zu servieren. (Der Fisch war auch sehr gut, aber verdammt, diese Pakoras.)

Das Gericht, das Erwähnung in all meinen Postkarten finden wird, ist das Lendensteak vom Damwild. Keine Ahnung was Damwild ist und es interessiert mich auch nicht; Reh ist die Spezialität des Native. Dieses hier kam auf einer Wolke aus cremigem Blumenkohlpüree – momentan bin ich verrückt nach, äh, zerpflücktem Blumenkohl – garniert mit knusprigen Zwiebeln, welche mit ihrer Knusprigkeit und ihrem Salzgehalt frittierten Schweinebauch nicht missen lassen.

Die Dessertauswahl könnte überarbeitet werden. Ich bin sicher, dass der Pflaumenkuchen

mit Lancashire Käse und Stilton absolut köstlich gewesen wären, jedoch waren es mir die £8 nicht wert, das herauszufinden. Ein süßer Abschluss eines Abendessens ist jedoch unverzichtbar, weswegen wir ein paar karamellisierte Honigtrüffel bestellten, die die Lust auf Süßes gerade so stillten.

Ein Abendessen bei Native kostet für zwei Gänge £30, für drei Gänge £38, was sich definitiv lohnt angesichts der Qualität des Fleisches. Lassen Sie das Dessert weg und machen Sie stattdessen einen kurzen Verdauungsspaziergang ins nahegelegene Soho, wo Sie alles finden,

was das Herz einer Naschkatze begehrt.

Native liegt zwar versteckt im Herzen des Londoner Theaterviertels, jedoch hat Miteigentümerin Imogen mehr ansässige Kundschaft gewonnen als eine Vermieterin aus dem East End. Die Hälfte der Kundschaft war offensichtlich nicht zum ersten Mal da und der Herr, der mit uns am Tisch saß, isst hier zweimal die Woche. Ich verstehe warum. Sobald mein neuer Arbeitgeber mir eine Firmenkreditkarte aushändigt, werde ich meine Eltern, meinen Freund und jeden Kunden von mir hierhin ausführen. Bis bald, Native.

Die Location

Native
Wild Food
3 Neal’s Yard, London WC2H, Vereinigtes Königreich
eatnative.co.uk

Der Autor

Emily Gibson
Food Blogger
curious-london.co.uk/author/curious-emily