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Essigbrätlein, Nürnberg

1. Februar 2018 Food Scouts - Nürnberg: Essigbrätlein, Gourmetrestaurant mit Fokus auf saisonalem Gemüse

Essigbrätlein, Nürnberg

Außergewöhnliche Locations, ungewöhnliche Speisen und spannende Ideen – jeden Monat präsentieren wir Ihnen ein innovatives Gastro-Konzept, entdeckt von Food Scouts aus aller Welt …

In den meisten Restaurants sind es die tierischen Haupt-Komponenten eines Tellers, die den Ton angeben: Das Rinderfilet, der Lammrücken, die Rehkeule, der sanft gegarte Lachs, die Rotbarbe. Fleisch und Fisch sind hier die Stars auf dem Teller. Doch in immer mehr Restaurants wird der Spieß umgedreht: Dann fügen sich Tomaten, Brokkoli, Steckrüben, Kohlrabi, Erbsen und Möhren nicht einfach nur als ergänzendes Beiwerk um das Tier herum, sondern sie sind es, die prägend für den Teller oder das jeweilige Gericht stehen.

 

Regionale Küche ist längst kein neuer Trend mehr, ganz im Gegenteil: Inzwischen hat sich eine neue Generation und Gruppe von Köchen gefunden, die heimisches Gemüse, heimische Früchte und teils auch seltene Fundstücke ihrer Bauern, mit denen sie kooperieren, in den Mittelpunkt ihrer Rezeptentwicklungen stellen. Einer, der mit dieser Art zu kochen schon seit vielen Jahren für Aufmerksamkeit sorgt und bis heute zu den bekanntesten Vertretern der modernen Gemüseküche gehört, ist

der Zwei-Sterne-Koch Andrée Köthe. Im Spitzenrestaurant „Essigbrätlein“ in Nürnberg gibt die regionale Ernte die Karte vor. Und dabei wird es keinesfalls langweilig! Denn jedes Jahr entwickeln Köthe, sein Kollege Ives Ollech und ihr Team neue Wunderwerke aus Steckrüben, Pastinaken, Sellerie, Karotten & Co. Das Spiel mit verschiedenen Konsistenzen, Zusammenstellungen, Temperaturen und Garstufen zeigt hier sehr deutlich, wie viel aus einer (scheinbar!) einfachen Möhre herauszuholen ist.

Schon seit vielen Jahren ist das „Essigbrätlein“ für seine fokussierte Gemüseküche bekannt. Wie kam es zu dieser Ausrichtung?

Die Antwort hängt nicht zuletzt mit der Frage zusammen, wie wir dauerhaft konkurrenzfähig sein können. Wenn wir an 220 Öffnungtagen im Jahr konstant beste Qualität liefern wollen, dann müssen wir Produkte verwenden, die auch konstant in immer gleich bleibender Qualität zur Verfügung stehen. Hochwertige Fische, die aus Frankreich angeliefert werden, sind wunderbar und es lassen sich exzellente Gerichte damit kochen. Doch die Wahrscheinlichkeit, dass es Phasen unterschiedlicher Qualität gibt, ist groß. Deshalb haben wir schon vor 15 Jahren gesagt, dass wir uns im Schwerpunkt auf regionale und saisonale Produkte konzentrieren: Eben alles, was in unserer Umgebung rund um Nürnberg in Bayern wächst und uns frisch vom Erzeuger zur Verfügung steht. Fisch und Fleisch gibt es natürlich auch. Passend zur Struktur der Gemüsegänge wählen wir Fleisch und Fisch indivduell aus.

Im Frühjahr servieren Sie in einem Zwischengang verschiedene Aggregatzustände und Zubereitungen vom Spargel: Ein frischer Spargelsalat mit Zitrone, Spargel mit Kaffee, ein Spargelmus und Spargel in dunkler Spargelasche – wie kommt man auf solche Ideen? Vor allem der Clou mit der Spargelasche?

Vor sieben Jahren haben wir unsere Gemüse-Kochbücher geschrieben und dabei festgestellt, dass wir vom Gemüse von der tiefsten Wurzel bis hin zum höchsten Blatt nahezu alles verarbeiten können. So haben wir hier beim Spargel die Schalen verbrannt und die trockene Asche mit Kaffee in der Mühle gemahlen und eine Soße daraus gemacht. Und es funktioniert! Sehr gut sogar!

Obwohl es ja schon sehr kontrastreiche Aromen sind. Wie können Sie sicher sein, dass so eine Kombination „funktioniert“?

Schwarz und Weiß gehen meist gut zusammen. Weiße und besonders helle Lebensmittel, wie Wasser, Kohlrabi, Mairüben oder auch Spargel haben einen starken Eigengeschmack, sind tendenziell mild und weniger kräftig. Je weiter wir in die Richtung der dunklen Lebensmittel gehen – etwa dunkle Dörrpflaumen, Asche oder auch Schokolade – desto tiefgründiger, intensiver und kräftiger wird der Geschmack. Helle, also milde Produkte passen mit dunklen, sehr kräftigen Produkten meist sehr gut zusammen, das ergibt schöne Kontraste, die das Essen spannend machen.

Also lässt sich ein guter Teller komplett über Farbkombinationen gestalten?

Nicht zwingend. Man hat aber in jedem Fall eine passende Mischung. Weiße Produkte geben sehr viele Möglichkeiten, grünes Gemüse ist schon deutlich schwieriger, lässt sich untereinander aber gut kombinieren: Also Spinat, Feldsalat und Gurke zum Beispiel. Die Farben sind aber nur eine Sache. Im Vordergrund muss immer noch eine gute Idee stehen. Für die Feinabstimmungen können Farben dann ein Mittel zur Wahl sein. Außerdem haben wir alle unsere Essgewohnheiten, denen ein guter Teller meist auch nachkommen muss (lacht).

Und was muss ein Teller können, um bei einem typisch deutschen Esser zu landen?

Die meisten von uns sind mit Fleisch groß geworden und sind dadurch an Umami gewöhnt, genauso wie an süß, salzig, bitter oder sauer – die fünf Geschmacksrichtungen, die wir kennen. Wenn wir also einfach einen farblich und geschmacklich perfekt abgestimmten Teller servieren,

kann sich die Zufriedenheit beim Gast möglicherweise doch in Grenzen halten, weil eine gewünschte Geschmacksrichtung fehlt. Bei reinen Gemüsegängen arbeiten wir zum Beispiel mit Techniken wie der Fermentation, um diese gewünschten Aromen und Geschmäcker zu erzeugen. Oder die verschiedenen Gemüsevariationen werden tatsächlich mit Fleisch oder einer umami-haltigen Soße kombiniert. Wir sind als Esser an alle Geschmacksrichtungen gewöhnt – allen voran umami. Daher empfinden wir meist auch das als sehr wohlschmeckend, bei dem möglichst viele unserer Erwartungen bedient werden.

Ihre Teller sind oft davon geprägt, dass eine einzige Gemüsesorte in verschiedenen Zuständen und somit auch Geschmacksrichtungen serviert wird. Wie erzielt man diese Vielfalt, was gibt es bei solchen Variationen zu beachten?

Ein Beispiel. Wir hatten im Frühjahr Steckrüben auf der Karte. Diese unterscheiden sich abhängig davon, ob sie ganz frisch im Herbst oder Winter oder abgelagert im Frühjahr serviert werden schon in ihrem Eigengeschmack. Ganz frisch ist sie im September fast ein wenig bitter und scharf wie Rettich. Abgelagert im Frühjahr enthält sie viel mehr Süße – dann muss sie dementsprechend auch anders verarbeitet werden. Wir haben einen Teil der Steckrüben 24 Stunden im Ofen bei 160°C gebacken, dann halbiert, vakuumiert und zwei Tage im Kühlschrank gelagert. Die Rüben haben unfassbar intensiv, fast wie Trüffel gerochen. Einen anderen Teil der Steckrüben haben wir zwei Tage roh eingelegt, das waren dann knackige Gemüsewürfel. Weitere Möglichkeiten sind Dünsten, Rösten oder Entsaften. Welche dieser Zubereitungsarten einem gefällt hängt stark von unseren Essgewohnheiten ab und auch davon, inwiefern man sich für neue Geschmacksrichtungen und Aromen öffnet. Das kann sehr spannend sein.

Die Location

Essibrätlein
Gourmetrestaurant
Weinmarkt 3, 90403 Nürnberg
essigbraetlein.de

Der Autor

Stefanie Hiekmann
Food Blogger
schmecktwohl.de/stefanie-hiekmann-foodblog